Kündigung während Krankheit?
Selbstverständlich!
Immer noch herrscht der Irrglaube vor, dass während einer Krankheit nicht gekündigt werden könne. Das ist nicht der Fall.
Allerdings hat der kündigende Arbeitgeber, wenn die Kündigung wegen einer Krankheit ausgesprochen wird, die Anforderungen zu erfüllen, die in der Rechtsprechung an eine wirksame personenbedingte Kündigung wegen Krankheit gestellt werden.
In der Regel erfolgt die Prüfung in 3 Stufen.
Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Dabei können häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen.
Weiterhin müssen die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Hierbei kommen 2 Arten von Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen in Betracht.
Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozess wie Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzten, erst einzuarbeiten Ersatzpersonals, Überlastung des verbliebenen Personals oder Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Arbeitsbereichen führen (Betriebsablaufstörungen). Solche Störungen sind nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können.
Eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers kann auch gegeben sein, wenn mit immer neuen beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers und entsprechenden Mehraufwendungen für die Beschäftigung von Aushilfskräften zu rechnen ist. Das gilt auch für außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind.
Schließlich ist, wenn betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen, in einer 3. Stufe zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist allgemein zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zuzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsfeld ist zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers. Weiter ist in der 3. Stufe zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, die Beeinträchtigungen durch mögliche weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern.
Weiter ist die Regelung in § 84 Abs. 2 SGB IX (alt) – neu: § 167 SGB IX zu beachten. Danach soll der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt sind, die Wiedereingliederung des Arbeitnehmers planen. Das wird als betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) bezeichnet. Eine krankheitsbedingte Kündigung, die ohne Durchführung des vorgenannten betrieblichen Eingliederungsmanagements ausgesprochen wird, kann wegen des Verstoßes gegen den „ultima-ratio-Grundsatz“ rechtswidrig sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Durchführung des BEM jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.
Rechtsanwalt Volker Weinreich
Fachanwalt für Arbeitsrecht