1. § 103 StGB Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
Wir wollen uns allerdings nicht an der Diskussion beteiligen, ob der allseits bekannte Beitrag von Jan Böhmermann bezüglich des Herrn Erdogan, der leider in der Mediathek des ZDF nicht mehr auffindbar ist, geschmackvoll oder weniger geschmackvoll ist. Auch möchten wir uns nicht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der türkischen Regierung in irgendeiner Form äußern.
Unsere Aufgabe sehen wir darin, die eine oder andere Rechtsfrage zu (er-) klären oder zu kommentieren. Das Interessante hierbei ist, dass natürlich auch für uns der § 103 StGB „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ nicht zum Tagesgeschäft gehört. Auch wir müssen dann schon mal in den so genannten Kommentar schauen, also die Kommentierung des Strafgesetzbuches (StGB).
Verfolgt man derzeit in den Foren im Internet die Diskussion, so besteht dort bereits Uneinigkeit darüber, ob überhaupt Herr Erdogan, solange er sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, Tatobjekt sein kann. Hierzu stellen diverse Kommentare fest, dass Staatsoberhäupter örtlich und sachlich umfassend geschützt sind, die Tat also auch begangen werden kann, wenn diese sich nicht im Inland aufhalten (vgl. Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 103, Rn. 4; Schönke/Schröder/Eser, Kommentar zum StGB, 9 20 der Auflage 2014, § 103, Rn. 3; Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, § 103, Rn. 1).
Im Übrigen müssen die weiteren Voraussetzungen der Strafverfolgung, die in § 104 StGB aufgelistet sind, vorliegen.
„Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.“
2. § 185 ff. StGB (Beleidigung, Verleumdung etc.)
Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob Jan Böhmermann dadurch vor Strafverfolgung geschützt werden kann, dass die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilt. Diese Frage stellt sich wegen dem heute bekannt gewordenen Strafantrag wegen Beleidigung durch Herrn Erdogan in Person.
Hier gilt, dass wenn aus § 103 StGB – sei es auch nur wegen Fehlens einer Verfolgungsvoraussetzung im Sinne des § 104 a StGB – nicht bestraft werden kann, so greift das allgemeine Beleidigungsrecht ein, weil sonst bestimmten Person der Ehrenschutz entzogen werden würde. Diese erklärt sich aus dem Konkurrenzverhältnis zwischen den § § 185-187 StGB und dem § 103 StGB. Im Verhältnis zu den § § 185-187 StGB ist § 103 StGB lex speziales, als Spezialgesetz verdrängt er die § § 185-187 StGB. Wenn allerdings die Strafverfolgung nach § 104 a StGB ausgeschlossen ist, vermag § 103 StGB seine verdrängende Wirkung nicht mehr zu entfalten (Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2014, § 103 StGB, Rn. 13 mit weiteren Hinweisen auf Schönke/Schröder/Eser Rn 8; Fischer Rn 3; Lackner/Kühl Rn 2; LK/Bauer/Gmel Rn 6; SK/Rudolphi/Wolter Rn 5; AK/Wolter Rn).
3. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass grundsätzlich, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 104 a StGB vorliegen, ein Ermittlungsverfahren gegen Jan Böhmermann eingeleitet werden kann im Hinblick auf § 103 StGB. Sollten die Voraussetzungen des § 103 StGB von der Staatsanwaltschaft oder bei Anklageerhebung (hoffentlich spätestens) vom Bundesverfassungsgericht verneint werden, so ist eine Strafverfolgung aus § § 185 ff. StGB möglich (auch hier sei das Bundesverfassungsgericht vor).
Nachdem wir die strafrechtliche Problematik nahezu frei von Wertungen aufgearbeitet haben, verbleibt uns noch, Ihnen eine schöne Woche zu wünschen.