Nach Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland und drohender MPU vor Wiedererteilung suchen viele Mitbürger nach einer Lösung, die MPU zu umgehen. Grundsätzlich ist dieses möglich durch die Erlangung einer Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Mitgliedsland. Allerdings sollte man bei Angeboten, wie man sie im Internet findet, vorsichtig sein.
So kam vor kurzem ein Mandant zu mir, er schilderte, er sollte nur Unterlagen bei einem Anbieter einreichen und würde dann eine britische Fahrerlaubnis erhalten. Dieses Angebot kann nicht seriös sein.
Grundsätzlich muss zwar in Deutschland eine Fahrerlaubnis aus einem EU-Mitgliedsland anerkannt werden, auch wenn diese nach Ablauf einer Sperre in Deutschland im EU-Ausland ohne eine der deutschen MPU entsprechende Untersuchung erteilt wird. Maßstab für die Pflicht zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw des EWR erworbenen Fahrerlaubnis sind insbesondere folgende Entscheidungen des EuGH zu den Führerscheinrichtlinien der EU(„Kapper“; „Halbritter“; „Kremer“; „Wiedemann/Funk“; „Zerche/Seuke/Schubert“; „Möginger“; „Weber“; „Schwarz“ „Wierer“; „Scheffler“; „Grasser“; „Apelt“; „Köppl“; „Akyüz“).
Entscheidend für die Pflicht zur Anerkennung ist nach den Grundsätzen des EuGH, dass die Fahrerlaubnis nach Ablauf der strafrechtlichen Sperrfrist oder einer Fahrverbotsfrist bzw bei einer verwaltungsrechtlichen Entziehung nach den jeweiligen Vorschriften des Mitgliedsstaates ordnungsgemäß erteilt wurde; zu beachten ist allerdings auch das Wohnsitzerfordernis nach der Führerscheinrichtlinie in ihrer jeweils gültigen Fassung. In jedem Falle wird verlangt, dass der ordentliche Wohnsitz sich in dem Ausstellerland der Fahrerlaubnis befindet. Diese Pflicht zur Anerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis besteht jedoch dann nicht, wenn der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, dem die deutsche Fahrerlaubnis entzogen wurde, danach keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats angeordneten Eignungsprüfung zum Führen von Kraftfahrzeugen unterzogen worden ist.
Zwar ist das Wohnsitzerfordernis aufgrund der teilweise nicht nachvollziehbaren Rechtsprechung des EuGH nicht das wesentliche Hindernis. Denn eine Anerkennung der EU-Fahrerlaubnis kann in Deutschland nur versagt werden, wenn sich aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung der Fahrerlaubnis nicht erfüllt war.
Gleichzeitig bekräftigt der EuGH auch in neueren Entscheidungen, dass der von einem Mitgliedstaat ausgestellte Führerschein grundsätzlich ohne jede Formalität anzuerkennen ist, dass es Aufgabe des Ausstellungsmitgliedstaates ist, zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und dass die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis versagt werden kann, wenn sie während des Laufs einer Sperrfrist erteilt wurde.
Konsequent betont der EuGH unter Heranziehung der zur 2. EU-Führerscheinrichtlinie entwickelten Grundsätze mit Urteil vom 26.4.12, dass auch unter Geltung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie eine FE anzuerkennen ist, wenn sie bei Beachtung des Wohnsitzerfordernisses außerhalb einer Sperrfrist für die Neuerteilung erteilt wurde.
Geklärt hat der EuGH in seiner Entscheidung v 9.7.09 die Frage, ob für den Nachweis des Wohnsitzverstoßes die eigene Einlassung des Inhabers der Fahrerlaubnis ausreicht und dies verneint, weil es sich dabei, wie auch bei Ermittlungsergebnissen, die im Aufnahmemitgliedstaat gewonnen wurden, nicht um Informationen handelt, die vom Ausstellermitgliedstaat stammen. Soweit zu den teilweise schwer nachzuvollziehenden Entscheidungen des EuGH.
In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung ist es einem Mitgliedsstaat versagt, die Umschreibung eines ausländischen Führerscheins davon abhängig zu machen, dass eine erneute Untersuchung der Fahreignung des Antragstellers vorgenommen wird (EuGH, Urt. v. 6. 4. 2006, [Halbritter] ;OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. 4. 2007 – III-5 Ss 23/07 – 39/07 IV).
Nun könnte man sich hinstellen und der Auffassung sein, dann könne einem nichts passieren. Weit gefehlt.
Es drohen zwei Gefahren. Zum einen erfährt die Deutsche Behörde auf vom EuGH geforderte Art und Weise vom fehlenden Wohnsitzerfordernis und wir haben den Straftatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit allen strafrechtlichen (und auch versicherungsrechtlichen) Folgen.
Zum anderen besteht die Gefahr, dass die britische Behörde eine vermeintlich bestehende deutsche Fahrerlaubnis nur umtauscht. Auf der Rückseite der Fahrerlaubnis wird dann in Spalte 12 „70 D“ vermerkt. Es ergibt sich aus der Zahl „70“ der Umtausch und aus dem Buchstaben „D“ die Herkunft der umgetauschten Fahrerlaubnis aus Deutschland. Weiteres Indiz für bloßen Umtausch ohne Eignungsprüfung ist ein aus dem (neuen EU-)Führerscheindokument ersichtliches früheres Datum der Erteilung der Fahrerlaubnis (in Deutschland vor der Entziehung) bzw. die Bezugnahme auf eine früher erworbene Fahrerlaubnis (OLG Bamberg DAR 13, 277, 278).
Auf vermeintlich umgetauschte Fahrerlaubnisse, die tatsächlich nicht bestanden haben, findet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Anerkennungspflicht nach der EU-Führerscheinrichtlinie keine Anwendung( BVerwG 3 B 19.11. vom 08.09.11). Nach meiner Auffassung liegt das BVerwG damit richtig.
Wieder droht hier die Strafverfolgung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis inklusive der versicherungsrechtlichen Folgen.
Der guten Ordnung halber sei noch darauf hingewiesen, dass man irgendwelche Beteuerungen des Internetanbieters zur Entschuldigung beim Strafrichter wohl eher nicht anführen braucht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2011 – 1 Ss 32/11;LG Aurich , Urteil vom 24.08.2010 – 12 QS 159/10).
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass neue Vorfälle, also nach Ausstellung der ausländischen Fahrerlaubnis, auch außerhalb des Straßenverkehrs, die Führerscheinbehörde berechtigen, eine MPU anzuordnen.