In unserem Bundesland erlebe ich es immer wieder, dass Mandanten im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten werden und nach Vorlage einer EU-Fahrerlaubnis (in unseren Breiten regelmäßig einer polnischen Fahrerlaubnis) sofort eine Strafanzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhalten, regelmäßig unter Hinweis darauf, dass eine unanfechtbare Entziehung der Fahrerlaubnis im Verkehrszentralregister verzeichnet sei. Letzteres ist regelmäßig richtig, die Strafanzeige jedoch nicht.
Diese Handhabung erfolgt unter Verkennung der Rechtslage. Sofern in Deutschland keine Sperre für die Wiedererteilung (Neuerteilung) einer Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt des Erwerbes der polnischen Fahrerlaubnis gegeben ist, ist die polnische Fahrerlaubnis anzuerkennen, soweit diese im Übrigen gesetzeskonform erlangt worden ist. Dieses ist durchgängige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und betrifft Fahrerlaubnisse, ausgestellt von sämtlichen Mitgliedstaaten der EU.
In der Praxis bedeutet dieses, dass immer wieder Bürger aus unserem Lande, deren Sperre zu Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis abgelaufen ist, zwecks Vermeidung einer MPU die Fahrerlaubnis in einem EU-Mitgliedstaat machen. Das mag zwar aus der Sicht des einen oder anderen im Hinblick auf den Sinn und Zweck einer MPU nicht zweckmäßig erscheinen. Allerdings wiegt der europarechtliche Grundsatz der Freizügigkeit schwerer.
Mit diesem Ergebnis tun sich nicht nur unsere Polizeibeamten oder Staatsanwaltschaften schwer. Selbst bei den Gerichten wird die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zu dieser Frage nicht immer beachtet.
Vor kurzem habe ich vor dem Amtsgericht Güstrow erlebt, dass der in einem Fall zuständige Strafrichter meinte, dass im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland wegen eines Verkehrsdeliktes mit anschließender Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hinsichtlich einer nach Ablauf der Sperre erworbenen polnischen Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs. 5 Fahrerlaubnisverordnung ein förmliches Anerkenntnisverfahren durchzuführen sei. Auf den Hinweis, dass insoweit eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofes vorliege, dass die Fahrerlaubnisverordnung europarechtskonform auszulegen und die Fahrerlaubnis formlos anzuerkennen sei, reagierte das Gericht nicht. Die diesseitige Erwartung, dass man die erwähnte Entscheidung jedenfalls nachliest, wurde enttäuscht. Der Mandant wurde wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Der Freispruch erfolgte dann in 2. Instanz vor dem Landgericht Rostock. Den Antrag stellte bereits der Staatsanwalt. Das Gericht hatte sich hinsichtlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kundig gemacht und folgte den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Die Kosten des Mandanten hinsichtlich der Verteidigung in beiden Instanzen trägt die Staatskasse.
Regelmäßig wird von den Gerichten überprüft, ob insbesondere das Wohnsitzerfordernis bezüglich der EU-Fahrerlaubnis Fahrerlaubnis erfüllt wurde. Voraussetzung für die Anerkennung der Fahrerlaubnis ist, dass der Erwerber 185 Tage zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrerlaubnis in dem Land wohnhaft ist, dass die Fahrerlaubnis ausstellt.
Allerdings müssen sich die Verstöße gegen das Wohnsitzerfordernis aus der Fahrerlaubnis selbst oder aus vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergeben. Demgemäß ist es nicht hilfreich, wenn in der EU-Fahrerlaubnis Teterow oder Waren (Müritz) als Wohnsitz eingetragen sind. Im Übrigen ist anzuraten, sich offiziell in Polen anzumelden, damit auf Nachfrage von dort auch bestätigt wird, dass man das Wohnsitzerfordernis erfüllt hat.
Dieses bedeutet insbesondere, dass Erkenntnisse nur aus Deutschland nicht ausreichen, um einen Wohnsitz Verstoß nachzuweisen. Auch der Umstand, dass jemand in der fraglichen Zeit in Deutschland hinsichtlich seines Wohnsitzes gemeldet war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ist somit kein Beleg für einen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip. Zur Vermeidung jeglicher Diskussionen kann man natürlich trotzdem seinen Wohnsitz in Deutschland abmelden.
Es darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch in einem Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wie in jedem Strafverfahren, ein Aussageverweigerungsrecht besteht. Dazu darf ich anmerken, dass in mehr als 26 Jahren als Strafverteidiger die Verfahren an einer Hand ab zu zählen sind, in denen ich meinen Mandanten geraten habe, vor einer Einsicht in die Ermittlungsakte auszusagen.
Letztlich bleibt darauf hinzuweisen, dass bei Bescheiden der Führerscheinstelle bezüglich der EU-Fahrerlaubnis und deren Wirksamkeit unbedingt Widerspruch einzulegen ist, wenn die Wirksamkeit der Fahrerlaubnis verneint wird. Ein derartiger Bescheid wird mangels Widerspruch rechtskräftig. Auch wenn sein Inhalt falsch ist, würde er dann Recht setzen. Gleichfalls ist bei Erlass eines Strafbefehls unbedingt Einspruch einzulegen. Auch der inhaltlich falsche Strafbefehl wird mangels Einlegung des Einspruchs rechtskräftig.