Abfindung

Zu Beginn meiner Ausführungen zur Abfindung möchte ich auf einen in der Arbeitnehmerschaft weit verbreiteten Irrglauben hinweisen:

Bei Arbeitnehmern herrscht vielfach die Vorstellung, dass bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber – insbesondere bei einer betriebsbedingten Kündigung – regelmäßig eine Abfindung zu zahlen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall! Wenn ein Arbeitgeber eine rechtmäßige Kündigung ausspricht, braucht er grundsätzlich keine Abfindung zu zahlen!

Vorgenannte Vorstellung rührt wahrscheinlich daher, dass Arbeitgeber nicht selten dem ausscheidenden Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zahlen. Viele Arbeitnehmer vermuten deshalb, dass ihnen nach einer Kündigung automatisch auch ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung zusteht.

Wir merken uns also: Der Normalfall ist – kein Rechtsanspruch auf Abfindung.

Ein arbeitsrechtlicher und gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf eine Abfindung besteht nicht etwa automatisch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur dann, wennfür den Abfindungsanspruch eine bestimmte arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlagebesteht.

Ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung kann sich insbesondere aus folgenden Anspruchsgrundlagen herleiten:

  • Im Arbeitsvertrag vereinbarte Abfindung (sehr selten).
  • Aus einem Tarifvertrag: In bestimmten Branchen sehen Tarifverträge Abfindungen bei betriebsbedingtem Ausscheiden des Arbeitnehmers vor. Diese Tarifverträge werden oft als Rationalisierungsschutz-Tarifvertrag bezeichnet.
  • In Betrieben mit Betriebsrat: In einem Sozialplan vorgesehene Abfindung, die oft für betriebsbedingtes Ausscheiden von Arbeitnehmern vorgesehen wird.
  • Grundsätzlich kann sich ein Abfindungsanspruch auch aus betrieblicher Übung oder dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.
  • Es ist jedoch auch möglich, dass der Arbeitgeber im Falle einer betriebsbedingten Kündigung dem gekündigten Arbeitnehmer gemäß § 1a KSchG eine Abfindung anbietet. Zum Entstehen des Abfindungsanspruchs muss der Arbeitgeber in der Kündigung darauf hinweisen, dass er die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist von drei Wochen eine Abfindung beanspruchen kann. Die Höhe der Abfindung beträgt gemäß § 1a Absatz 2 KSchG ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Zeiträume von mehr als sechs Monaten sind dabei auf ein volles Jahr aufzurunden.

Allerdings werden die meisten Abfindungen in der Praxis bisher nicht etwa gezahlt, weil dem Arbeitnehmer etwa ein vorgenannter Rechtsanspruch auf eine Abfindung zusteht. Der Arbeitgeber möchte mit der Zahlung einer Abfindung vielmehr eine einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer „erkaufen„, um teilweise sehr teure Prozessrisiken zu vermeiden.

Genauso wie die Abfindung selbst ist auch die Höhe der Abfindung Verhandlungssache. Oftmals ist die Rede von einer „Regelabfindung“ in Höhe eines halben Bruttomonatseinkommens pro Beschäftigungsjahr. Letztendlich ist es jedoch immer eine Frage des Einzelfalles, inwieweit die Beurteilung der Sachlage die Abweichung der Abfindung von diesem Regelsatz nach oben (in der Praxis bis zu einem vollem Bruttomonatseinkommen pro Beschäftigungsjahr) aber auch nach unten rechtfertigt.

Da der Arbeitgeber sich in der Regel durch Zahlung der Abfindung von dem Arbeitsverhältnis „freikaufen“ und dem mit einem Rechtsstreit über den Kündigungsschutz einhergehenden Prozessrisiko entgehen möchte, wird der Verhandlungsspielraum für den Arbeitnehmer größer sein, wenn die Erfolgsaussichten einer möglichen Kündigungsschutzklage hoch sind. Je höher der Druck auf den Arbeitgeber aus rechtlichen Gründen ausgeübt werden kann, desto besser ist die Verhandlungsposition für den Arbeitnehmer.

Sehr selten ist nämlich arbeitsrechtlich sicher, dass eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung oder eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung arbeitsrechtlich wirksam ist. Nicht selten erweist sich eine Befristung oder Kündigung erst nach längerem Arbeitsgerichtprozess als unwirksam. Der Arbeitgeber ist dann grundsätzlich verpflichtet, für den gesamten verstrichenen Zeitraum Arbeitsentgelt nachzuzahlen. Dies gilt auch, wenn er den Arbeitnehmer nach dem Endtermin der Kündigung oder Befristung nicht mehr beschäftigt hat, weil er davon ausging, das Arbeitsverhältnis sei beendet. Es lässt sich leicht errechnen, dass dem Arbeitgeber auf diese Weise ganz erheblicher Schaden entstehen kann.

Ein im Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kennt die wesentliche Rechtsprechung zum Recht der Kündigung und Befristung. Er kann das Prozessrisiko und die Abfindung deshalb oft beeinflussen.