Es klingelt an der Wohnungstür. Sie öffnen und vor ihnen stehen zwei Polizeibeamte. Diese nennen ein Kfz-Kennzeichen und fragen, ob Sie der Halter sind. Dieses bejahen Sie, es handelt sich um das Kennzeichen Ihres Pkw. Hiernach werden Sie gefragt, ob Sie dieses Fahrzeug heute an einem bestimmten Ort geführt haben. Nachdem Sie auch dieses bejaht haben, erklärt man Ihnen, dass Sie nunmehr beschuldigt werden, eine Straftat begangen zu haben (Nötigung im Straßenverkehr, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort/Verkehrsunfallflucht et cetera).
Sie werden jetzt auch belehrt, dass Sie das Recht haben, zu schweigen. Allerdings können Sie sich des Gefühls nicht erwehren, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Sie haben recht!
Nun fragen Sie sich vielleicht, ob die Polizeibeamten Sie nicht früher hätten belehren müssen.
Das Vorgehen der Polizeibeamten ist von der Rechtsprechung abgesegnet. Die Vorschrift des § STPO , die das Aussageverweigerungsrech regelt, betrifft nur die Vernehmung des „Beschuldigten“. Beschuldigter ist eine Person erst dann, wenn nach den ersten informatorischen Befragungen der am Tatort Anwesenden oder als in irgendeiner Weise mit dem Delikt in Verbindung stehend Anzusehenden sich der Verdacht einer Straftat gerade auf sie – allein oder zusammen mit anderen – richtet (Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise des Juristen, aber es ist die Formulierung der Rechtsprechung).
Erforderlich ist hierfür, dass sich nach dem pflichtgemäßen Ermessen des die Ermittlungen aufnehmenden und die ersten Befragungen durchführenden Beamten ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung gegen den betreffenden Beteiligten (im weitesten Sinne) ergibt, der dazu führt, dass nunmehr gerade gegen diese Person ermittelt wird. Die bloße Vernehmung eines Unverdächtigen ist selbst dann keine Beschuldigtenvernehmung, wenn sich der Verdacht später auf ihn richtet.
Man kann dieses mit guten Argumenten als am Interesse des Staates an der Strafverfolgung ausgerichtete Rechtsprechung bezeichnen. Nur es hilft nichts, diese Rechtsprechung ist Realität.
Folge ist, dass Ihnen, wenn Sie die Fragen der Polizeibeamten beantworten, die erste und oft aussichtsreichte Verteidigungslinie genommen ist. Man muss Ihnen jetzt nicht mehr nachweisen, dass Sie das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt haben.
In der eingangs geschilderten Situation heißt es also schweigen und gegebenenfalls einen Rechtsanwalt aufsuchen. Es könnte Ihnen die Fahrerlaubnis erhalten!
Sönke Brandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht