Das OLG Hamm hat zu dieser Frage mit Beschluss vom 24.4.2015, Az 12 UF 225/14, entschieden.
In dieser Sache verlangte ein 11-jähriges Kind von seiner Mutter die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts. Das Kind lebte in den maßgeblichen Zeiträumen bei seinem Vater.
Ein Kind hat gegen den Elternteil, bei dem es nicht lebt, einen Anspruch auf Barunterhalt gemäß § 1601 BGB, d.h. Unterhalt durch Geldzahlung. Wenn ein minderjähriges Kind nur der Mindestunterhalt verlangt, ist der Bedarf des Kindes nicht näher zu begründen. Der barunterhaltspflichtige Elternteil, hier die Mutter, musste ihre Leistungsunfähigkeit darlegen und beweisen. Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht barunterhaltspflichtig, „wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren“. „Befinden sich Eltern in der Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden“; § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht).
Der Unterhaltsschuldner ist hiernach also verpflichtet, seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen, d.h. insbesondere möglichst eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei bestehender Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltsverpflichtete sich intensiv um eine Arbeitsstelle bemühen. Diese Erwerbsbemühungen müssen dem Gericht detailliert und unter Benennung von Beweismitteln vortragen werden. Sollte der Unterhaltsverpflichtete keine genügenden sowie ernsthaften Bemühungen getätigt haben bzw. dem Gericht nicht vortragen, werden nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die fiktiv erzielbare Einnahmen berücksichtigt.
Im vorliegenden Fall wandte die 35-jährige Kindesmutter ein, dass sie eine Erstausbildung aufnehmen wolle, da sie bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung habe; dies wiederum sei vorrangig. Das Interesse des minderjährigen Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts müsse dahinter zurücktreten.
In der Regel ist es so, dass einer Erstausbildung auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen ist. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf.
Im konkreten Fall hatte die Kindesmutter in der Vergangenheit allerdings mehrere berufliche Ausbildungen abgebrochen. Sie war zuletzt erwerbstätig als Sachbearbeiterin mit einem Nettoeinkommen von 1.425,– €.
Das OLG Hamm entschied im Ergebnis der Wertung aller Umstände des Einzelfalls, dass das Interesse der Kindesmutter an der Aufnahme einer Ausbildung hinter dem Interesse des Kindes zurück treten muss. Aufgrund des Abbruchs mehrerer Ausbildungen und der bestehenden Erwerbsmöglichkeit könne der Mindestunterhalt erwirtschaften werden. Auch die Frage, warum die Kindesmutter gerade jetzt die Erstausbildung beschreiten möchte und die dann negative Auswirkung auf deren Leistungsfähigkeit, führten das Gericht zu dieser Wertung. Zudem hatte das Gericht keinen Anlass zu der Annahme, dass die Unterhaltsverpflichtete gerade diese Ausbildung beenden würde.