Die Staatsanwaltschaft: Kavallerie der Justiz – schneidig, aber dumm?
Jeder Jurist kennt dieses „Bonmot“, gibt man die Worte „Kavallerie“ und „schneidig“ bei Google ein, erscheinen fast ausnahmslos Artikel, die sich hierauf beziehen. Zugeschrieben wird es zuweilen Tucholsky, einen Beleg hierfür habe ich nicht gefunden.
Wo aber könnte der Ursprung dieses so häufig verwendeten Zitats liegen?
Es fing relativ harmlos an. Die Kavallerie selbst sah sich gerne in der Rolle derjenigen, die durch schneidig vorgetragene Attacken Schlachten und Kriege entschied, also in vorderster Linie kämpfend. Ein ähnliches Selbstverständnis wird der Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit zugeschrieben, die sich selbst in vorderster Linie gegen das Verbrechen kämpfend sah.
Mit dem Aufkommen automatischer Waffen und gepanzerter Fahrzeuge wurden Kavallerieattacken zu wenig erfolgversprechenden, blutigen Angelegenheiten. Die Kavallerieattacken sahen zwar noch schneidig aus, wirkten aber nicht sehr intelligent. Es bildete sich dann aufgrund dieses Bildes wohl zunächst in den anderen Waffengattungen der Begriff „Kavallerie, schneidig, aber dumm“ heraus. Von hier aus war es nur ein kurzer Weg, dieses auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen. Begünstigt wurde dieses sicherlich dadurch, dass in unserem Rechtssystem die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt (von der Möglichkeit der Einstellung abgesehen), wenn hinreichender Tatverdacht vorliegt, also (nur) die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung besteht, während die Verurteilung durch den Richter ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit verlangt. Das Regelbeweismaß ist dabei die volle persönliche Überzeugung des Richters. Lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit würde hierfür prinzipiell nicht ausreichen. Als Beweismaß darf jedoch nicht der naturwissenschaftlich sichere Nachweis verlangt werden, sondern der Richter muss sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zufriedengeben, der letzte (theoretische) Zweifel nicht ausschließt, ihnen aber praktisch Schweigen gebietet.
Für denjenigen, der diese unterschiedlichen Anforderungen an die Arbeit des Gerichts und der Staatsanwaltschaft nicht kennt, erscheint dann die Anklageerhebung im Nachhinein in dem einen oder anderen Fall als übereilt. In einer solchen Situation ist möglichweise auch das obige „Bonmot“ entstanden. Das es von Personen gerne zitiert wird, die sich als Opfer der Justiz sehen, ist zwar menschlich nachvollziehbar, berücksichtigt aber eben nicht die unterschiedlichen Aufgaben von Staatsanwaltschaft und Gericht.
Demnächst versuchen wir dann, zu klären, ob die Staatsanwaltschaft sich zu Recht als „objektivste Behörde“ der Welt versteht.